Dienstag, 5. Mai 2009

Das Wunder des Heiligen Feuers von Jerusalem

Am Heiligen Samstag – so wird der Samstag vor dem Ostersonntag in der orthodoxen Kirche genannt – sammeln sich die Gläubigen in großen Gruppen in der Grabeskirche, da an diesem Tag Feuer vom Himmel herabkommt und die Lampen in der Kirche entzündet.
Das Wunder des heiligen Feuers ist für die orthodoxen Christen das größte aller christlichen Wunder. Es findet jedes Jahr zur selben Zeit, auf dieselbe Art und am selben Ort statt. Von keinem anderen Wunder ist bekannt, dass es mit einer solchen Regelmäßigkeit und über so lange Zeit hinweg geschieht. Man kann über dieses Wunder bereits in Quellen aus dem 8. Jahrhundert lesen.

Um 11 Uhr wird das Heilige Grab, das sich im Inneren der Kirche befindet, versiegelt. Zur Zeit der osmanischen Besatzung vollzogen türkische Beamte diesen Akt, heute sind es Vertreter israelischer Behörden. Die Evangelien berichten von Römern, die das Grab Jesu versiegelten, so dass seine Jünger den Leichnam nicht stehlen konnten, um später zu behaupten, er wäre auferstanden. Heute wie damals wird ein Betrugsversuch durch die Versiegelung ausgeschlossen.

Die Armenier, Kopten und Syrer ziehen in einer Prozession um 12.30 Uhr zum griechisch-orthodoxen Patriarchen, dem sie im Katholikon der Grabeskirche ihre Aufwartung machen.

Von etwa 11 bis 13 Uhr singen die arabischsprachigen Christen laut traditionelle Lieder. Diese Lieder gehen auf die osmanische Zeit zurück, in der die Christen ihre Lieder ausschließlich innerhalb ihrer Kirchen singen durften. "Wir sind Christen, das sind wir seit Jahrhunderten und wir werden es immer und ewig sein. Amen!" singen sie aus voller Kehle, von Trommeln begleitet. Die Trommler werden dabei von anderen auf den Schultern getragen, die wild um die Grabeskirche herumtanzen. Um 13 Uhr klingen die Lieder aus, und danach herrscht Stille - eine gespannte, geladene Stille, elektrisiert von der Erwartung der großen Manifestation von Gottes Kraft, die alle erfahren werden.

Die ganze Kirche singt das Kyrie Eleison (Herr, erbarme Dich), und es erscheint der griechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem. An der Spitze einer großen Prozession umkreist er das Grab dreimal, wonach er seiner liturgischen Kleider entledigt wird, bis auf ein weißes Gewand, das er als ein Zeichen der Demut trägt. Alle Lichter werden gelöscht. Mit zwei großen, noch nicht entzündeten Kerzen betritt der Patriarch die Grabeskapelle – zuerst den kleinen Raum vor dem Grab und dann das Grab selbst. Das Heilige Feuer, das er dort empfängt, reicht er an die Patriarchen der anderen orthodoxen Kirchen und an die Gläubigen weiter. Sie tragen das Licht in Bündeln aus 33 dünnen Kerzen, die für die 33 Lebensjahre Jesu stehen.

Das Wunder kündet vom Ende der Passionszeit. Liturgische Feiern und Prozessionen aller orthodoxen Kirchen leiten über zur Auferstehungsliturgie in der Nacht zum Ostersonntag.

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